Tiramisu
Nein, hier geht es nicht um Süßspeisen.
Auch wenn "Tiramisu" eine solche bezeichnet.
"Tiramisu" ist Italienisch und bedeutet wörtlich "Zieh mich rauf!"
Dinge, die uns tagtäglich runterziehen, gibt es zuhauf. Aber wer oder was zieht uns rauf? Was hilft uns? Was tut uns gut? Was macht uns Mut?
"Arbeit macht das Leben süß", heißt es. Na toll!
Süßes setzt Glückshormone frei, schadet aber der Gesundheit. Super!
Leichte Unterhaltung lässt uns für einen Moment Alltag und Sorgen vergessen, ist aber angeblich nur was für die einfach Gestrickten. Entschuldigung!
Die Maxime "Aber bitte mit Sahne" führt bei aller Heiterkeit auch im Lied von Udo Jürgens zum Tod. Und die Höhner stellen frustriert fest, "alles was ich will, ist verboten, macht dick oder kostet zu viel". Na dann Mahlzeit!
Alles, was positiv scheint, wird in die Nähe von Leichtsinn, Unvernunft, Naivität und Unreife gerückt.
Eine eher unkritische, gar optimistische Grundhaltung gilt oft als Zeichen geistiger Beschränktheit und lebensunerfahrener Realitätsferne. Freudige Unbefangenheit dagegen ist ein Privileg der Jugend, der weitere Lebensweg ein einziger Kehraus des Kinderlachens. Wie ein schleichendes Gift macht sich für alles möglicherweise nicht ganz so Schlechte ein verächtlicher, herablassender und miesepetriger Unterton breit.
Wer "Friede, Freude, Eierkuchen", "heile Welt", "Gutmensch" und anderes mehr sagt, meint in aller Regel nichts, was Grund zu positivem Denken gäbe. Im Gegenteil, zwischen den Zeilen lauert nur madig machende Häme.
Aber jeder Mensch braucht auch etwas, das ihn aufbaut, mit Zuversicht erfüllt und antreibt. Jeder braucht einen Gegenentwurf zu Resignation und beständiger Verdrießlichkeit. Die Sehnsucht danach ist legitim.
Doch sogar das Heraufziehen als Metapher für Hilfsbereitschaft kommt nicht bei jedem gut an. "Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott!" ist eine verbreitete Einstellung. Hilfesuchende erscheinen da nur als lästige, faule und bequeme Weicheier oder Schmarotzer oder beides.
Die kritischsten unter unseren Zeitgenossen sind leider häufig auch die freudlosesten, unzufriedensten und missgünstigsten, diejenigen, die zum Lachen in den Keller gehen. Von ihnen ist wenig Erbauliches und wenig Mitfühlendes zu erwarten, als Seelsorger etwa taugen sie nichts. Jemanden zu ermutigen, aufzubauen gehört ganz sicher nicht zu ihren Kernkompetenzen. Die liegen dann eher im grundsätzlichen Schimpfen, Mahnen, Warnen, Bedenken hegen, Kopfschütteln, in Shitstorm und Bashing, im Hassen und Drohen. Es kostet halt sehr viel weniger Kraft, jemanden herunter- als ihn heraufzuziehen. Und anonym fällt es noch leichter, destruktiv und zersetzend zu sein..
Lass dich nicht von den ewig Unzufriedenen einschüchtern, anstecken und deprimieren!
Lass dir nicht einreden, die Freude an den einfachen Dingen sei ein Zeichen von Dummheit!
Lass dich nicht entmutigen von denen, die dich hochmütig belächeln, weil du leicht zu begeistern bist.
Penetrante Pessimisten sind wie Schwarze Löcher. Sogar noch die am schwächsten leuchtenden Kerzen auf der Torte sind ihnen vorzuziehen!
Und sag nicht nein zu dem, der dich bittet "Zieh mich rauf"!