Tagebucheintrag 29.12.2022
Heute ist der 29.12.2022. Vor einem halben Jahr hatte Ela ihren Zusammenbruch. Schlaganfälle und eine Hirnblutung brachten sie in die Uniklinik. Und sie ist bis zu ihrem Tod nicht mehr aufgewacht. Der 29.06.2022 war unser letzter gemeinsamer Tag.
Elas Sachen sind in der Uniklinik Köln "verschwunden". Zunächst ihr Talisman, das Glücksbärchen, das ihr so viel bedeutete und das ich ihr deshalb auf einem meiner ersten Besuche mitgebracht hatte. Ich hatte das Personal eindringlich darum gebeten, darauf Acht zu geben. Erst hieß es, da seien noch andere Sachen von Ela, Kleidungsstücke und ein Schlüssel. Doch die müsse ich abholen. Die Weigerung des Stationspersonals, sie mir zuzuschicken, führte mich zum "Beschwerdemanagement" der Klinik. In größeren Abständen dort wiederholte Nachfragen erbrachten am Ende, dass auch diese Dinge nicht mehr auffindbar sind. Nur Elas Ehering haben sie mir gelassen. Was für ein Umgang mit Menschen, mit Schutzbefohlenen, mit Hilflosen, mit Verstorbenen und mit deren Eigentum! Welche Haltung des Personals drückt das denen gegenüber aus, die vertrauensvoll in ihre Obhut gegeben werden? Was für eine Gleichgültigkeit, Nachlässigkeit, was für eine unpersönliche Kälte!
Heute ist auch der Geburtstag meiner Mutter. Sie wird 96 Jahre alt. Sie ist ist bettlägerig und dement. Es wird vielleicht ihr letzter Geburtstag sein. Ein Tag am Ende des Jahres, "zwischen den Jahren" sagt man. Das Jahresende kommt mir immer vor wie eine Enge, hinter der sich der Ausblick wieder weitet, wie ein Flaschenhals, die engste Stelle einer Sanduhr oder einer Meerenge. Es ist der Ausblick auf ein neues, ungewisses Jahr. Es wird ein Jahr ohne Ela sein. Ich gehe diesen Weg allein.