Smalltalk-"Skills"
Ich bin eher introvertiert und wenn es etwas gibt, was mir nicht liegt, dann ist es Smalltalk. Je nach den äußeren Umständen und den Menschen, mit denen ich zu tun habe, fällt es mir mal leichter, mal schwerer, ein zwangloses Gespräch zu führen. Und die womöglich ungeduldige Aufforderung "Nun sagen Sie doch auch mal was!" geht mir auf die Nerven und weckt meinen Unwillen.
Kürzlich stieß ich auf ein Video, das dieses Unvermögen als einen Mangel an "Kommunikatiosskills" tadelt bzw. sich daüber lustig macht. Ungelenkes Verhalten in diesem Bereich wird darin gleichsam als ein behandlungsbedürftiges Defizit, als peinliches Versagen dargestellt.
Gleichzeitig werden ausgewählte "Kandidaten" mit dieser Schwäche gezielt in Situationen an öffentlichen Orten geschickt, mit der Aufgabe, fremde Passanten mit absurden Themen anzusprechen, Themen, die zudem als "No-Go-Themen" für Smalltalk definiert werden, wie Politik, Privates oder Krankheiten. Das unausweichliche und peinliche Scheitern der Probanden dient der Belustigung des Moderators und des Publikums.
Das ärgert mich noch mehr als der Anspruch sowie die belehrende, verständnislose und wenig einfühlsame Attitüde des Moderators.
Den Menschen, die nach seinen Maßstäben nicht kommunikationsfähig genug sind, würde ein großer Teil der Welt verschlossen bleiben, mahnt er selbstbewusst.
Während ansonsten ständig und allerorten Rücksichtnahme und Einfühlungsvermögen gegenüber Minderheiten eingefordert wird, scheint dies hier gegenüber wenig kontaktfreudigen und -fähigen Menschen nicht zu gelten. Es scheint mir, als suchten manche nach Nischen, in denen Häme und Schadenfreude noch nicht geächtet und nicht durch Kategorien wie körperliche und geistige Beeinträchtigung, Hautfarbe, sexuelle Orientierung usw. abgedeckt und damit für geschmacklose Scherze quasi tabu sind.
Ich
wundere und ärgere mich, dass ein solcher Moderator (Klaas
Heufer-Umlauf) begeisterte Fans findet, während beispielsweise einem
Thomas Gottschalk zum Abschied von vielen ein regelrechter Shitstorm
um die Ohren fliegt. Offenkundig werden noch längst nicht allen Minderheiten die Segnungen der so genannten "Wokeness" zuteil. Da und dort wird noch mit zweierlei Maß gemessen.