Körperertüchtigung
In der ersten Jahreshälfte habe ich nach einer Diät mit Leinsamenschleim und einer Ernährungsumstellung 10 kg an Gewicht verloren. Vor allem von der Ernährungsumstellung (mehr Gemüse, weniger und mageres Fleisch, Verzicht auf Zucker, Süßigkeiten, Knabbereien und Eier) verspreche ich mir langfristig einen lindernden Effekt, was meine schmerzhaften Entzündungen infolge eines Fersensporns betrifft.
Der Gewichtsverlsut ist zwar schon mal ein Erfolg, aber noch keine Leistung.
Die wirkliche Herausforderung besteht darin, das Gewicht auch zu halten. Und so kam ich zu dem Entschluss, mich selbst zu mehr und regelmäßiger Bewegung zu zwingen und mich bei einem Fitnessstudio anzumelden. Das war schon ein außergewöhnlicher Schritt für mich, der ich nie vom Sport begeistert war und der mich stattdessen in der Schule regelrecht traumatisiert hat. Mannschafts- und Bundesjugendspiele, Leibesübungen schlechthin habe ich stets als reine Demütigungsveranstaltungen empfunden, jedenfalls haben sie mir alles andere als Lust darauf gemacht, mich aus freien Stücken auch in meiner Freizeit sportlich zu betätigen. Die Vorstellung, Freude an Bewegung haben zu können, war mir immer zutiefst suspekt. Und dafür auch noch Geld und Zeit aufzuwenden, war lange für mich undenkbar.
So war ein Fitnessstudio erstmal eine fremde Welt für mich, von mir eher mit finsteren Muskelprotzen assoziiert und mit Geräten aus Stahl, die zu Folter und Qual bestimmt zu sein scheinen. Hinzu kommt, dass ich mich als jemand, der die 60 überschritten hat, unter lauter vornehmlich jungen Leuten im doppelten Sinne wie ein Exot vorkomme, zum einen wie ein Methusalem, zum anderen als ein - wie gesagt - wenig sportaffiner Mensch. Und manchmal frage ich mich auch, warum Menschen, die jung, schlank und ohnehin schon recht muskulös, durchtrainiert und sportlich wirken, überhaupt so ein "Gym" aufsuchen. Aber ich verstehe ja auch nicht, warum Leute rauchen oder sich tätowieren lassen.
Ich habe aber relativ schnelll damit begonnen, alles um mich herum auszublenden und mich allein auf meine Ziele zu konzentrieren. Das wird einem auch recht leicht gemacht. Wenn man nicht gerade mit Freunden trainiert oder zufällig Bekannte in der "Muckibude" trifft, scheinen mir die Aussichten, dort Kontakte zu knüpfen, eher gering. Hier macht jeder sein Ding und quält sich entweder gerade selbst oder verbringt die Erholungspause, indem er oder sie zombieartig durch das Studio wandelt.
Jeder holt sich selbst die Gewichte, die er braucht. Und während ich mich mit Gewichten von 5 und 10 kg begnüge, sind andere mit 20 oder gar 40 kg unterwegs und erinnern mich irgendwie an eine Kaugummiwerbung aus den 70er Jahren, in der sportlich wirkende Frohnaturen mit einer überdimensionalen Kaugummipackung unter dem Arm durch die Gegend liefen.
Viel mehr als regelmäßige Bewegung und etwas Muskelzuwachs will ich gar nicht. Schließlich möchte ich nicht irgendwann aussehen wie Arnold Schwarzenegger oder Sylvester Stallone. Oder der Inhaber des Studios, der dem werbewirksam nahe kommt.
Es passiert mir immer wieder, dass ich mich fälschlicherweise von solchen Äußerlichkeiten leiten lasse. Auch der besagte Eigentümer ist keinesfalls so bedrohlich, wie er mir zunächst vorkam. Man könnte ihn auch durchaus gefahrlos nach der Uhrzeit fragen. Freundlich und hilfsbereit gibt er zu allem bereitwillig und geduldig Auskunft. Streit haben möchte ich trotzdem nicht mit ihm.
Immer wieder gehe ich weniger enthusiastisch zum Training, als ich von dort zurückkehre. Eine gewisse Selbstüberwindung gehört für mich immer dazu. Andererseits gibt es Dinge, die ich gerne durchziehe, wenn ich sie erst einmal angefangen habe. Und im Moment geht es mir ganz gut damit, vielleicht besser, als es mir gehen würde, wenn ich eines Tages nicht mehr trainieren würde.