Äußerlichkeiten und Korrektheit


Gibt es eigentlich hässliche Menschen? Oder gibt es vielleicht nur Menschen, die ich persönlich hässlich finde? Darf ich das denken, darf ich das sagen? Es gibt ja auch Menschen, die ich als ausgesprochen gutaussehend oder attraktiv wahrnehme. Auch solche mit wohlgeformten Körpern und ebenmäßigen Gesichtszügen, die aber dennoch unsympathisch sind, weil sie arrogant sind oder abweisend, mit einer schrillen Stimme geboren oder die übel riechen.

Wenn jemand mit Akzent oder Dialekt spricht, darf ich sie oder ihn darauf ansprechen? Oder ist das von der Hautfarbe abhängig? Darf ich zu einem Hamburger sagen, er komme wohl nicht von hier, eher aus dem hohen Norden, sollte mich aber einem dunkelhäutigen Menschen gegenüber mit Vermutungen besser zurückhalten, die womöglich nicht bloß Teile Deutschlands, sondern gar andere Erdteile einbeziehen? Wenn ich das nicht tue, bin ich dann taktlos, ungehobelt, mit Vorurteilen behaftet, dumm, ein schlechter Mensch, gar ein Rassist?

Hören bestimmte Aspekte eines Menschen auf zu existieren, wenn ich sie nicht erwähne und drumherum rede? Wird nicht eines Tages jedwede Beschreibung einer in der Gesamtbevölkerung eher weniger stark vertretenen Hautfarbe als diskrimierend gelten, weil es Menschen auf dieses Merkmal reduziert? Werden irgendwann "schw..." und "dunkelh..." an die Stelle des "N-Wortes" treten und es einfach nur ersetzen, ohne auch nur ein i-Tüpfelchen an den damit verbundenen Wertungen und Vorurteilen zu ändern? Wer kann denn kontrollieren, ob jemand, der die alternativen Begriffe verwendet, diese auch "denkt"?

Fragen fallen mir viele ein, aber nur wenige Antworten. Soll ich ernsthaft über jemandem den Stab brechen und in einer bestimmten politischen Ecke verorten, der arglos ein Paprikaschnitzel unter der falschen Bezeichnung bestellt oder seine Kinder mit einer Süßigkeit überrascht, die er versehentlich gerade nicht als "Schaumküsse" bezeichnet hat?

Bei dieser Gelegenheit: Das Wort "Kanake" stammt von kanaka maoli, einer hawaiianischen Bezeichnung für "Mensch", behauptet zumindest Wikipedia. Warum verwenden Rassisten für missliebige Mitmenschen ausgerechnet diesen Begriff? Es ist also kein deutsches Wort und drückt mit "Mensch" das aus, was ein Rassist mit seiner Wortwahl wohl am allerwenigsten auszudrücken gedenkt, nämlich gewissermaßen "eine/r wie ich", "eine/r von uns".

Im anglo-amerikanischen Sprachraum wird der Genitiv eines Wortes durch Anhängen eines Apostrophs und des Buchstabens s angezeigt. Im Deutschen ist das nicht so. Jedenfalls ist das hier Lothars Webseite und ganz gewiss nicht Lothar's Webseite. Seltsamerweise bevorzugen viele politisch eher rechts orientierte Menschen jedoch die nichtdeutsche Schreibweise, obwohl sie ansonsten dem Einfluss des Anglo-Amerikanischen auf die deutsche Kultur eher kritisch gegenüberstehen. (Die Genitivschreibweise mit 's verriet z.B. auch die als Rechstextremistin verurteilte NSU-Helferin Beate Zschäpe als Urheberin mancher schriftlicher Beweisstücke.) - Natürlich macht auch ein Schreibfehler niemanden zu einem Extremisten oder Verbrecher, und z.B. Kaiser's Kaffee wird in Deutschland schon seit 1881 so geschrieben. Und doch fällt auf, dass bestimmte Leute im Umgang mit der deutschen Sprache und deren Regeln nicht die Sorgfalt walten lassen, die man gerade von jemandem erwartet, dem das Deutsche angeblich so am Herzen liegt.